Eine
Schmusegeschichte
Vor
langer, langer Zeit - niemand kann sich mehr so genau erinnern
wann das war - waren die Menschen glücklicher als sie es
heute sind. Sie hatten etwas, was sie fröhlich machte, wodurch
ihnen warm ums Herz wurde und sie die Liebe zu den anderen Menschen
verspürten. Sie nannten es "Schmuser". Sie waren
in kleinen Säckchen, durch die jeder dieses warme Gefühl
bekam. Babys bekamen zu ihrer Geburt einen ganzen Vorrat davon
geschenkt. Die Menschen schenkten sich oft gegenseitig viele Schmuser
am Tag. Lange sollte aber dieses Glück nicht anhalten: Es
gab eine Hexe, die selber nichts von diesem Glück hatte.
Sie war verärgert, dass es den anderen Menschen besser ging
als ihr selber. Sie ging in das Dorf der Menschen und erzählte
jedem: "Es gibt nicht mehr viele Schmuser. Überlegt
gut, wem ihr einen gebt. Seid sparsam damit, sonst sind sie zu
schnell aufgebraucht." Die Menschen glaubten ihr. Keiner
gab mehr einem Fremden einen Schmuser. Die Eltern und ihre Kinder
gaben sich nur noch ganz selten einen Schmuser. Und was passierte?
Niemand fühlte sich mehr glücklich. Alle Leute wurden
krank. Sehr krank. Das nun wollte die Hexe auch nicht. So erfand
sie die kleinen "Fröstler", die genauso aussahen
wie die kleinen Schmuser. Wieder ging sie ins Dorf und verteilte
dort ihre Fröstler. Gierig nahmen die Menschen diese in großen
Mengen ab. Doch was war das? Wo war die Wärme und das Glück?
Die Fröstler waren kalt und hart. Nun beschenkten sich die
Menschen mit den Fröstlern. Sie wurden nicht mehr krank,
doch fehlte es ihnen weiterhin an Glück, Wärme und Liebe.
Die richtigen Schmuser wurden jetzt noch seltener verschenkt.
Jeder bewachte seine Schmusern, gab aber gerne einen Fröstler
ab. Keiner merkte, dass die Fröstler süchtig machten:
Sie mussten immer mehr und immer mehr davon haben. Und so wie
die Fröstler waren, wurden auch die Menschen: Sie waren kalt
zueinander, geizig und lieblos. Die Hexe war zufrieden. Eines
Tages kam eine junge Frau ins Dorf. Sie war freundlich und sah
aus wie eine Fee. Sie sah, wie die Menschen miteinander umgingen.
Das machte sie ganz traurig. Sie rief die Kinder zu sich und verteilte
großzügig ihre eigenen Schmuser. Fast hatten die Kinder
vergessen, wie gut die taten; ihnen wurde wohlig warm und ein
Strahlen ging über ihr Gesicht. Die Kinder erkannten, dass
es wichtig und auch richtig war, wieder die Schmuser so zu verteilen,
wie es früher einmal war. Aber die Erwachsenen schimpften
mit ihnen, sie sollten sparsamer damit sein. Einige Kinder wurden
es auch, doch andere beschenkten sich weiterhin mit den Schmusern.
Sie wollten nie wieder an die kalte, herzlose Zeit denken. Sie
wollten mit Glück, Zufriedenheit und Wärme leben. Wer
weiß, vielleicht verstehen eines Tages auch die Erwachsenen,
dass eigentlich genug Schmuser für alle da sind. Vielleicht
tauschen auch sie bald wieder ihre Schmuser aus, statt sie für
sich zu behalten
(Astrid Hinkelmann)